Leseempfehlung von Katja Staats
Buchhandlung Slawksi
Manuel Niedermeier
Durch frühen Morgennebel
2014 C.H. Beck, 219 Seiten
In Manuel Niedermeiers Romandebüt Durch frühen Morgennebel begibt sich der Leser auf eine Reise in unwegsame Gewässer. Erzählt wird von Clemens, der als Fotograf eine Expedition ins Polarmeer begleitet. Immer auf der Suche nach dem richtigen Moment – in der Tradition Cartier-Bretons – hält er die Stationen der Reise und das Leben an Bord fest. In diesem Zuge macht er die wohl einschneidendsten und furchtbarsten Bilder seines Lebens, die ihn an sich selbst zweifeln lassen. Er fotografiert John, der im Verlauf der Zeit auf dem Schiff zu seinem Freund geworden ist, als dieser ins Meer stürzt, unters Eis gezogen wird und stirbt, ohne ihm zu helfen.
Der Roman ist in einer Rückschau geschrieben, in der sich nach und nach die Puzzleteile, die zu diesem tragischen Ereignis geführt haben, langsam zusammensetzen und Bilder der Reise und der einzelnen Personen ergeben. Besonders deutlich wird der Charakter von John herausgearbeitet, der als Biologe seine Dissertation über die Kommunikation von Belugawalen an Bord des Schiffes fortschreiben will und kurz vor Reiseantritt in Laura die Liebe seines Lebens trifft. Die Beziehung zwischen Laura und John ist alles andere als einfach und es kommt zu traumatischen Begebenheiten, die John auch auf dem Schiff verfolgen. Er wacht nachts aus Albträumen auf, schreit, bleibt dann oft schlaflos und ist in denkbar schlechter Verfassung. Trotzdem baut er zu Clemens eine recht enge Bindung auf.
Niedermeier schreibt all dies in einem klaren Ton ohne viel Schnörkel und trotzdem verweilt der Leser in seiner Sprache und liest das ganze Buch langsam. Überflüssige Details spart der Autor aus und konzentriert sich auf die in zeitlichen Sprüngen beschriebenen Punkte, die für das Konstrukt seiner Geschichte von Belang sind. Dabei schafft er filmisch-fotografische Momentaufnahmen, die dem Leser zugleich eine Indentifikationsfläche mit dem Protagonisten Clemens bieten. Alles wirkt wie durch den Sucher beobachtet. Und so ist der Leser als Randfigur direkter Teilnehmer der Szenerien. Dies macht das Lesen sehr fesselnd und man legt das Buch ungern aus der Hand.
Ein wirklich gut geschriebenes, thematisch etwas schweres Buch, das vor allem für polarmeer- und fotografieinteressierte LeserInnen geeignet ist, die mehr an Beobachtungen als an einer aufregenden Geschichte interessiert sind. Denn trotz aller Dramatik, die den einzelnen Passagen innewohnt, ist doch alles sehr nüchtern dargeboten, was gleichzeitig den Reiz dieses Buches ausmacht.
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