Leseempfehlung von Katja Staats
Buchhandlung Slawski, Buchholz
David Schalko
Knoi
Jung und Jung 2013
272 Seiten
David Schalkos Roman Knoi ist ein großartiger, sehr böse geschriebener Roman über menschliche Abgründe jeglicher Art.
Die Zwischenmenschlichkeit wird entblößt und in jedem Kapitel neu entworfen, bestehende Konstellationen werden verworfen und in Neubesetzungen vorgestellt. Das Schicksal schlägt an allen Orten gleichzeitig zu und nimmt verstörende und bizarre Formen an. Es zeigen sich Monster, Dämonen, Fabelgestalten, Märchenfiguren – und doch immer brutal real und gnadenlos überzeichnet.
Jakob und Rita – ein Traumpaar – auseinander gelebt. Klassisch. Später Rita und Lutz, der zunächst nur leicht seltsam und unnahbar wirkende Zahnarzt, die schließlich ein gemeinsames Kind, Max, haben. Jakob und Jennifer, die schicksalhaft durch einen Unfall aneinander gebunden werden. Und jetzt müsste man bereits „und so weiter“ schreiben, denn die verstrickten Konstellationen scheinen in diesem Roman kein Ende nehmen zu wollen.
Diese Verstrickungen beherrscht Schalko wie ein Puppenspieler ohne die Fäden zu verlieren. Er gleitet von Szene zu Szene und nimmt den Leser mit in die dunkelsten Winkel der menschlichen Existenz. Er lässt nichts aus: der sehr befremdliche und ihn ins Unheil stürzende Fetisch von Lutz, das zu höchst empathische Empfinden von Max, Ritas labile Psyche, die geheime Liebe der Paartherapeutin zu ihrem Klienten, eine schamanenhafte „Tante“, die Max, der sich jeden Tag für ein anderes Tier hält, wieder zu einem Menschen machen soll, der imaginierte Hund Luise, die lichtallergische Marie – Mutter von Jennifer, der gescheiterten Schauspielerin – die ein Leben in der Nacht führt, und vieles vieles mehr. Als Schlüsselfigur zu allen Protagonisten tritt Max auf, der den ihn umgebenden Menschen neue Namen gibt, die sich beinahe wie neue Arten von Tieren lesen lassen. Jakob ist ein Knoi, Jennifer eine Zonz, Rita eine Faha und Lutz ein Waks. Bereits am Ton dieser Worte ist eine Charakterisierung zu erahnen, die im Laufe des Buches immer mehr zu einer Gewissheit wird.
Trotz aller Dramatik, aller Abgründe, aller Schlechtigkeit liest sich der Roman nicht wie ein Thriller oder gar ein preiswerter Krimi. Schalkos Sprachfertigkeit und nicht zuletzt sein Witz, der immer wieder in den grotesken Szenerien aufblitzt, sowie die gelungenen Sprünge bzw. fließenden Übergänge zwischen den verschiedenen Figuren und Schauplätzen machen das Lesen zu einem echten Erlebnis.
Der Leser sieht zuweilen eigene Abgründe, spürt und ahnt voraus, was noch kommen mag und sieht sich immer überrascht vor den Tatsachen stehen.
Dieser Roman ist thematisch oft hart am Limit des Erträglichen und schafft es doch gern gelesen zu werden. Man braucht viel Phantasie und noch mehr Talent, um das so hinzubekommen. Hut ab, Herr Schalko!
Für wen das nun geeignet sein soll ist die schwerere der Fragen. Für mich in jedem Fall und ansonsten mag ich hier an dieser Stelle kein geeignetes Urteil abgeben.
Auf der Seite von Jung und Jung kann man ein kurzes Video anschauen in dem David Schalko aus Knoi
vorliest:
http://jungundjung.at/content.php?id=3&a_id=109&ag=s
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